Samstag, September 30, 2006

 

Mein erster 3-Tages-Trek - in den tiefsten Canyon der Welt

Ich also auf einem 3-Tages-Trek, ich, die noch nicht mal Wanderschuhe besitzt und auch sonst eher unfit ist... Das erste grosse Problem war Sachen packen: fuer 3 Tage mein kleiner Minirucksack??? Im Endeffekt mussten Kontaktlinsenzeug (man kann die auch 2 Naechste drin lassen), Schlafsack (die Betten waren gar nicht soo eklig), Handtuch (Wickelrock tut es auch) und die Spiegelreflexkamera zu Hause bleiben, dann ging es. Um 5 Uhr morgens musste ich aufstehen und hab total schlecht geschlafen (wenigstens hab ich so das Erdbeben um 3 Uhr mitgekriegt), weil ich Angst hatte, den Wecker zu ueberhoeren... Als ich dann aufstehen sollte, hatte ich ein ziemlich flaues Gefuehl im Magen und hab gedacht: das ist doch kein Urlaub, warum tust du dir so einen Mist eigentlich an??? Na ja, ich hab dann den inneren Schweinehund besiegt und das war auch ne gute Entscheidung. In unserer Gruppe waren eigentlich nur 4 Leute, ausser mir noch die Englaenderin Vicky, die ich ja schon vorher kennengelernt hatte und noch 2 Deutsche: der promovierte Bosch-Ingenieur Matthias mit dem Vorzeigelebenslauf (Studium USA, Diplom in Paris, Praktikum in Japan), der so ein Bergsteigertyp war und in Bolivien auch schon auf nen 6000er geklettert war - war fies, alle komplett an die Hoehe gewoehnt nur ich nicht... Und die 20jaehrige Theresa, die nach ihrem Abi unterwegs ist und ein wenig zuviel uebertriebene Geschichten erzaehlt hat. Jaaa, mach ich ja auch, aber wenn sie dann nen Spruch gekriegt hat, wollte sie sich rechtfertigen, was dann manchmal etwas albern war...
Nun ja, erstmal hiess es aber 5 Stunden Bus fahren und zwar mit einem von den guten lokalen Bussen, wo es kein Klo und solchen Luxus gibt. Nach 3 Stunden sind wir Maedels fast gestorben, aber dann kam zum Glueck nen Dorf. Die Landschaft war sehr beeindruckend, schneebedeckte Gipfel, darunter grasende Lamas und Alpacas und nen Chinchilla hab ich auch gesehen. Wir waren dann auch so 3300 Meter hoch und es war kalt... Mittags waren wir dann in Cabanaconde, haben Mittag gegessen und uns spontan mit einer anderen Gruppe zusammengeschlossen, einem Englaender und einem Australier, die vor allem durch ihren trockenen Humor aufgefallen sind und das Ganze ziemlich aufgelockert und ausgeglichen haben. Das war mein erster Trip, wo wirklich alle alleine reisten und das machte es echt angenehm, weil sich irgendwie jeder mit jedem unterhalten hat... Und dann ging es also los in den Colca Canyon... Na ja, oder in das Colca-Tal, es hat naemlich nicht so steil abfallende Waende, wie man sich das vorstellt und unten wohnen Leute. Und das mit der Tiefe ist auch so ein Ding: irgendwie gibt es wohl mindestens 6 "tiefste Canyons der Welt", kommt wohl sehr auf die Messmethode an. Der Colca Canyon ist ueber 4000m tief, aber auch nur wenn man von den Bergen misst, die ihn ueberragen. Da wo wir am Rand standen ging es "nur" 1000m nach unten.
Unsere Guides haben sich am Anfang ziemlich viel Zeit gelassen und irgendwelchen Kram erklaert... Ich war nur froh, dass es zwei Maedels Anfang 20 waren und nicht irgendwelche durchtrainierten Andenlaeufer... Die Erklaerungen waren alle auf Spanisch, war also wohl nichts mit dem Englischsprachigen Guide. Drei von uns hatten Spanischsprachkurse gemacht und haben versucht zu uebersetzen, dabei hab ich mich dann aber bald als halboffizielle Uebersetzerin etabliert. Sorry, darauf bin ich total stolz, nach 2 Monaten in Suedamerika konnte ich wirklich fast alles uebersetzen... Na ja, das Wetter hat sich dann zusehends verschlechtert und wir haben uns relativ flott an den Abstieg gemacht. Nach 2,5 Stunden waren wir auch schon unten im Canyon, obwohl wir alles wohl mehr ueber das Geroell geschlittert sind als irgendwas (da helfen dann auch Wanderschuhe mit Profil nix). Im Endeffekt war es gar nicht so schlimm, nur die Knie fuehlten sich am Ende etwas komisch an... Und irgendwie sind 1000m auch schon ziemlich hoch, wie man wohl auf dem naechsten Foto sehen kann.
Aber es hat sich im Endeffekt schon gelohnt, wir mussten auf der anderen Seite noch so 100m wieder hoch und kamen dann in einem ziemlich schoenen Dorf an. Die hatten relativ ausgekluegelte Bewaesserungssysteme und daher in diesem eigentlich eher oeden Tal richtig ueppige Gaerten. Heute hat mir eine Frau erzaehlt, dass im Tal Gold- und Silbervorkommen entdeckt wurden, sich die Bewohner aber erfolgreich gegen die Erschliessung gewehrt haben - Touristen sind halt doch noch besser als Minenarbeiter und es ist schoen zu wissen, dass nicht alle Menschen reich werden wollen. Die Unterkunft war auch viel besser als ich erwartet haette - zwar keinen Strom oder fliessend Wasser, aber trotzdem gab es komischerweise ne warme Dusche (und wir waren alle nassgeschwitzt bis auf die Haut) und die Betten waren nur ein wenig klamm. Gut ist, dass es in den Hoehen nicht so viele Insekten gibt, vor allem keine Kakerlaken, bilde ich mir ein. Klos sind immer ein Witz, ein Loch im Boden mit ner brillenlosen Kloschuessel zur Zierde drauf - und das Konzept "Privatsphaere" ist irgendwie voellig fremd. Der Abend war dann relativ kurz, wir haben nur ein wenig geschnackt, aber so gegen 8Uhr waren wir alle im Bett - was will man auch im Dunkeln machen. Mir war es nur recht, hatte ja eh schlecht geschlafen. Und war natuerlich auch puenktlich um 5 Uhr wieder wach, so wie es zur Zeit meinem Rhythmus entspricht...
Eigentlich wollten wir so um 8 Uhr los, aber unsere Guides kamen irgendwie nicht zu Potte. Wir sind dann so gute 3 Stunden durch das Tal gewandert, was echt nett war. Am Anfang etwas langsam, weil uns wirklich jede Pflanze erklaert wurde, was fuer mich etwas ermuedend war, schliesslich musste ich immer zuhoeren. Irgendwann waren die Damen mit ihrem Latein aber am Ende und dann ging es auch schneller. Zwischendurch mussten wir so einen 200m Aufstieg hoch und das Tempo war relativ schnell (schliesslich wusste man nicht, wie weit es noch war...), da waer ich zwischendurch fast umgekippt. Hitze, Hoehe, Puls die ganze Zeit auf 180 und ploetzlich hatte ich Herzschmerzen und mir war kotzuebel. Na ja, natuerlich kommt man im Endeffekt den Berg doch noch hoch, aber ich dachte mir echt nur: wenn du hier auf 200m schon fast schlapp machst, wie willst du dann denn jemals aus diesem Canyon wieder rauskommen??? Matthias hat mich dann wieder aufgebaut, meinte, dass das Tempo ja auch verrueckt gewesen waere und dass man sowas anders angehen muesste. Ja ja, gut Ding will Weile haben.
Ich war einfach nur froh, als wir in der sogenannten "Oase" ankamen, eine Touristenunterkunft mit richtig paradiesischem Garten (wo ueberall so Wasserfaellchen durchlaufen und so) und Pool. Die Betten standen dafuer direkt auf der Erde in den Huetten... Aber wir waren erstmal froh, dass wir da waren und den ganzen Nachmittag zum chillen hatten. Leider war nach ca. einer halben Stunde die Sonne weg und es war zu kalt zum Baden, aber einmal reinspringen war auch ok und man kam sich wieder relativ menschlich vor. Den Nachmittag haben wir mit Kartenspielen verbracht, wo ich mich aber bald verzogen habe, weil mich Theresas Stories irgendwann zu sehr genervt haben.
Vicky hat mir nach ner Weile Gesellschaft geleistet, weil es ihr genauso ging und wir haben ueber "Frauen in Maennerwelten" geschnackt (sehr interessant, sie arbeitet bei Bombardier, die machen vor allem Zugwartung...). Der Abend war dann wieder relativ kurz, schliesslich mussten wir um viertel vor zwei aufstehen und Wandern schafft einen ja auch... Ich hab wieder mal schlecht geschlafen, weil mich dieser Gedanke "bald wieder aufstehen und dann den Scheissberg hoch" irgendwie nicht zur Ruhe kommen lassen hat. Na ja, wenigstens war ich um 2 Uhr dann auch wirklich hellwach. Und man glaubt es kaum, aber es war im Endeffekt gar nicht so schlimm. Jedenfalls sag ich das jetzt, auf dem halben Weg haette ich das wahrscheinlich anders kommentiert. Die Hoehe hat es halt echt in sich, man faengt wirklich nach 10 Treppenstufen an, schwer zu atmen. Aber Matthias hat sich netterweise meiner angenommen und wir sind mit kleinen Schritten langsam diesen Berg hochgeschlichen. Im Endeffekt kamen wir auch nur ca. 15 Minuten nach den anderen an und ich hab mich oben wenigstens nicht total tot gefuehlt. Man war wieder bis auf die Haut nass, es war oben eiskalt, aber auch alles egal. Genervt hat nur unsere Fuehrerin, die immer vorgelaufen ist, gewartet hat bis man vorbei ist und wieder von hinten gedraengelt hat... Wie dem auch sei, ich war stolz auf mich und musste mir nicht die Bloesse geben, einen Esel zu mieten :-) Matthias meinte am Ende nur: "Ein guter Bergfuehrer kriegt jeden 1000 Hoehenmeter hoch". Ich war trotzdem froh, mitten in der Nacht mit Taschenlaempchen diese 1000m hochgekommen zu sein...
Danach gab es Fruehstueck, dann hatten wir eine lustige kleine Pruegelei mit den Frauen um Plaetze im Bus zum "Cruz del Condor", es war naemlich der erste Bus und da fahren dann auch alle mit, die dort was an Touristen verscherbeln wollen. Wir hatten noch Glueck, weil wir sehr frueh da waren, aber bald kamen auch die Busse mit den Tagesausflueglern und man hat sich gewundert, wie viele Leute eigentlich durch Peru reisen, wirklich krass. Ich bin froh, dass ich schon im Norden war, wo das mit dem Tourismus nicht so verbreitet ist und die Leute noch anders reagieren,
wenn sie eine "Gringa" sehen. Na ja, wir haben dann mit den anderen ca. 150 Touristen Kondore angeguckt. Schon sehr beeindruckend, wie die da rumsegeln, da hab ich bereut, dass ich meine Spiegelreflexkamera nicht 3Tage mit mir rumgeschleppt hab. Kleine Kameras sind fuer sowas einfach Mist. Ja, und dann gab es wieder mal eine 3-Stunden-Busfahrt mit einem "Local Bus", ungefaehr 90km war die Strecke lang und der hat wirklich fuer jeden Bauer am Wegesrand angehalten. Auf meinem Platz sass eine alte Frau, also sass ich auf so Holz... Mann, Mann, da ist man schon gut gepolstert, aber bei der Strasse half das wirklich gar nix. Mir hat selten so der Hintern weh getan...
Aber: alles halb so wild, danach durften wir naemlich noch den Nachmittag in den heissen Quellen abhaengen, war wie ein Swimmingpool mit Badewannentemperatur und da die Sonne geschienen hat, war es schon fast zu warm. Aber gerade nach so einem Morgen war es wirklich toll, einfach nur in der Sonne zu liegen (und ich muss ja eh noch an meinem Teint arbeiten...). Das war wirklich ein Klasse Abschluss fuer unseren Trip. Danach gab es noch Bueffet-Essen, wo wir den ganzen Vorrat an Kaktusjoghurt aufgegessen haben (die dachten da auch, wir spinnen...) und dann waren es nochmal gute 3 Stunden Busfahrt, aber immerhin konnte man sitzen und es war nicht total voll.
Abends hab ich dann gemerkt, dass ich mein Adressbuch verloren hatte, nach einer leichten Panikattacke habe ich es aber im Internet-Café wiedergekriegt, wo ich 4 Tage vorher war - ich wusste, dass es mir sympathisch ist, wenn so ein Internet-Café-Mensch Camus liest. Auf Franzoesich. Und dann bin ich auch schon sehr bald todmuede ins Bett gefallen, wieder in dem Hostel, wo fast kein Mensch war und ich bin zu Gitarrenklaengen eingeschlafen.
Am naechsten Morgen war ich natuerlich wieder um 6 Uhr putzmunter, hab ne Runde telefoniert und dann in Arequipa noch ein wenig Sightseeing gemacht. Zunaechst so ein altes Stadthaus, wo die englischen Kommentare so schlecht waren, dass ich meine email-Adresse da gelassen habe und angeboten, die zu korrigieren (ich krieg das mit dem Lehrer nicht so ganz weg). Und dann im Mumienmuseum, hier werden naemlich seit 1992 auf den Vulkanen jede Menge Kinderopfermumien von den Inkas entdeckt. Das spannendste da war ein Erdbeben, ich steh irgendwie nicht auf Mumien und ich find die auch einfach nur haesslich. Und mit dem Unsterblichkeitsgefasel konnte ich auch nix anfangen. Ich war echt richtig gut in der Zeit, wollte naemlich mittags weiter nach Puno an den Titicacasee fahren. Und dann bin ich daran gescheitert, Kontaktlinsenloesung zu besorgen (war bei ca. 20 Optikern und einem Augenarzt, hab die alle in den Wahnsinn getrieben), hatte meinen Bus dann natuerlich verpasst und hatte ziemlich schlechte Laune. Bis ich Vicky zufaellig getroffen habe und wir Mittagessen waren. Hab dann nen Bus um 4 Uhr genommen und hatte die Horrorbusfahrt schlechthin: 6 Stunden ohne Klo (und ich musste so nach ner Stunde), hatte echt Nierenschmerzen... Ausserdem war ich darauf eingestellt, nachmittags zu fahren, hatte also Jacke und Schlafsack nicht im Handgepaeck. Wir sind dann die meiste Zeit durch Schneelandschaft gefahren und die Busse sind im allgemeinen nicht dicht (und schon gar nicht beheizt). Hatte dann Glueck, der kleine Junge neben mir mochte mir naemlich (musste mich erstmal anfassen, weil er nicht glauben konnte, dass ich weiss bin), hat dann immer meine Kopfhoerer geschnappt und mit mir Musik gehoert und mich dann gekuschelt. Das war nicht so Glueck, sondern dass seine Mama mir dankbar war, weil ich so geduldig war und ich dann die Kinderdecke gekriegt hab. Touristen sind ja manchmal auch ziemlich doof. Hab dann noch zwei Deutsche im Bus kennengelernt, mit denen bin ich dann in Puno in ein Hotel gefahren und bin um 11 Uhr dann ins Bett gefallen (mitten in der Nacht fuer meinen Rhythmus). Und damit war ich dann also am Titicacasee, aber dazu mehr, es ist schon 10 Uhr abends und mir fallen gleich die Aeuglein zu :-) Hab echt keine Ahnung, wie ich bitte das Nachtleben in Cusco mitnehmen soll...

Comments: Kommentar veröffentlichen



<< Home

This page is powered by Blogger. Isn't yours?