Freitag, Februar 09, 2007

 

Philosophisches Fazit

Wow, jetzt war ich also tatsaechlich fast 9 Monate unterwegs und ich muss sagen, dass ich mit einem "cheerful and a tearful eye" nach Hause fliege. Und da macht man sich natuerlich so seine Gedanken: Was bleibt von dieser Reise? Das ist nicht ganz einfach zu beschreiben, trotzdem will ich es denn mal versuchen.
1. Die Gewissheit, dass ich alleine so ziemlich in jeden Winkel dieser Erde reisen kann. Wenn ich an Februar zurueckdenke, hatte ich auf jeden Fall die Hosen gestrichen voll, vor allem nachdem mir alleine reisen in Italien nicht viel Spass gemacht hat. Mittlerweile habe ich erkannt, dass niemand gerne alleine reist (ausser der Typ, der mit dem Fahrrad durch Vietnam gefahren ist und 6 Wochen mit niemandem geredet hat, aber dessen Sozialkompetenzen hatten auch merklich gelitten), sondern jeder auf der Suche nach Gesellschaft ist. Und da bin ich gar nicht schlecht, Leute kennenlernen faellt mir leicht und mittlerweile quatsch ich echt jeden dicht (ob das wirklich neu ist :-)?). Trotzdem muss ich sagen, dass ich fuer das naechste Mal Gesellschaft bevorzugen wuerde, weil man die Eindruecke halt doch gerne teilen moechte und allein immer wieder so "Zwischenzeiten" hat. Aber wenn halt keiner mit will ist alleine immer besser als zu Hause bleiben.
2. Die Gewissheit, dass das nicht das letzte Mal gewesen ist. Tja, irgendwie habe ich ueberhaupt keine Angst mehr davor, dass mein Leben zur Routine wird und ich stinklangweilig und spiessig werde, sondern bin davon ueberzeugt, dass ich in 3-5 Jahren den Job hinschmeissen werde oder ein "Sabbatical" nehmen werde und wieder mit Kind und Kegel losziehen werde. Wahrscheinlich eher fuer 3 Monate, denn so war es schon ein wenig lang und man kann die Eindruecke nicht mehr richtig verarbeiten, was schade ist. Aber die "Wanderlust" ist definitiv ein integraler Bestandteil meines Charakters und ich denke, dass ich auch den Mut haben werde, das auszuleben.
3. Aus Nr. 2 kommt die Bereitschaft, jetzt nach Hause zu fliegen, mich niederzulassen und das "richtige" Leben mit all seinen Verpflichtungen und Verantwortungen in Angriff zu nehmen. Ich freu mich wirklich total auf einen "Alltag", Geld verdienen, ein eigenes Zimmer und Leute laenger als 2 Wochen um mich rum zu haben. Dieses Jahr war echt noetig, um dafür "beireit" zu sein; letztes Jahr waere das einfach nicht gegangen. Obwohl ich auch zugeben muss, dass ich mich jetzt schon auf den naechsten Urlaub freue (der ist übrigens auch schon geplant)...
4. Viele neue Ideen fuer Reiseziele. Ne Overland-Tour durch Afrika, mit Walhaien tauchen in Mexiko (in Australien war das ja illegal), Kleider naehen lassen in Vietnam und Rumhaengen in Brasilien... Die Welt ist wirklich unendlich gross und uebrigens auch unendlich schoen. So schoen, dass ich fuer mich auch mit Gewissheit sagen kann, dass sie auf keinen Fall zufaellig entstanden ist, dazu braucht man sich meiner Meinung nach nur mal nen Sonnenuntergang oder nen Regenbogen anzugucken.
5. Die Erkenntnis, dass nicht absolute Freiheit und Unabhaengigkeit erstrebenswert ist, sondern die Entscheidung fuer "commitment" (Bindungen, Verantwortung, Verpflichtung, Engagement, kann das alles heissen), fuer was genau auch immer. Das muss ich vielleicht erklaeren: hatte diese Diskussion bis jetzt schon zweimal, einmal meinte Maso, dass er mir das Gefuehl absoluter Freiheit gewuenscht haette (anstatt dass ich gleich am Anfang irgendsoeinen Typen kennenlerne) und das andere Mal hatte Fabian eine "Oh-Gott-ich-geh-wegen-meiner-Freundin-nach-Hause-und-verpass-alles"-Krise. Ja, so ein Jahr ist natuerlich eigentlich dazu da, absolut ungebunden zu sein und seine Entscheidungen voellig spontan treffen zu koennen. Doch ich wage mal zu behaupten, dass es dieses Stadium in Wahrheit gar nicht gibt. Immer gibt es praktische Zwaenge (wie z.B. Busfahrplaene) und da niemand wirklich gern allein reist passt man sich auch immer wieder an andere Leute an. Man fuehlt sich gezwungen in belebte Hostels zu ziehen, dort Leute kennenzulernen und moeglichst die ein oder andere Person zu finden, die in die gleiche Richtung faehrt und moeglichst auch noch eine aehnliche Wellenlaenge hat. Nee, irgendwie ist der Stress abgefallen, dass ich beweisen muss, dass ich ja ach so unabhaengig bin und immer auch alleine klar komme: ja, ich kann das wohl, aber ich wuerde es trotzdem vorziehen, wenn jemand da waere, mit dem ich Entscheidungen zusammen treffen kann.
6. Tiefe Dankbarkeit. Ich hab dieses Jahr wirklich sehr oft gedacht: Mann, dein Leben ist schon ziemlich perfekt... Ich bin einfach dankbar fuer all die Moeglichkeiten, die ich habe. Dafuer, dass ich nicht irgendwo im Dschungel geboren wurde, in meinem Leben noch nie ein Buch gelesen habe und Bauersfrau werde. Ja, vielleicht sind viele dieser "einfachen" Menschen gluecklicher als wir in der "modernen" Welt, wo man so viele Wahlmoeglichkeiten hat, dass man sich manchmal einfach nur noch ueberfordert fuehlt. Aber von welcher Qualitaet ist dieses Glueck? Es beruht eigentlich ja auf dem Sprichwort "Ignorance is bliss" (Unwissenheit ist ein Segen), aber wahres Glueck kommt doch wohl eher daher, dass man das Leben mit all seinen Moeglichkeiten meistert. Wenn man nicht nur katholisch ist, weil man nichts anderes kennt, sondern weil man verschiedene Lebensphilosophien reflektiert hat und sich dazu entschieden hat. Wenn man nicht nur einen Koenig verehrt, weil Monarchie die einzig vorstellbare Staatsform ist, sondern weil man es fuer die beste Staatsform haelt. Wir haben einfach Glueck, dass wir all die "kulturellen Errungenschaften" der Menschheit zu unserer Disposition haben und die Moeglichkeit bekommen, diese aktiv zu reflektieren. In Deutschland leiden wir auf einem hohen Niveau, diesen Satz habe ich dieses Jahr sehr oft gesagt. Aber irgendwie bezieht sich das nicht nur auf soziale Sicherungssysteme, die wir fuer selbstverstaendlich halten, die es aber weder in Suedafrika, Indonesien, Thailand noch Peru gibt und andere Arrangements, die unser praktisches Leben so verdammt einfach machen, sondern auch darauf, dass wir uns in der Schule darueber beschweren "Faust" lesen zu muessen und nicht zu schaetzen wissen, wieviel Glueck wir eigentlich haben, dass wir uns ueber so etwas wie die Verfuehrung durch den Teufel und weltliche Genuesse ueberhaupt Gedanken machen duerfen. Und ich bin einfach nur froh, dass ich mich mit dem Thema "Essensbeschaffung" im Prinzip nur einmal in der Woche befassen muss, wenn ich in den Supermarkt gehe, auch wenn ich mir dann vielleicht so viele Gedanken ueber mein Leben mache, dass ich frueher oder spaeter beim Psychiater lande.

So, das musste ich wohl zum Abschluss nochmal loswerden. Meine Perspektive hat sich definitiv verschoben und ich glaube, ich habe wirklich viel gelernt. Soviel, dass ich mich jetzt sogar sowas aehnliches wie "erwachsen" fuehle... Und damit kehre ich nach Hause zurueck und hoffe euch bald alle wieder zu sehen!

 

Start spreading the news - zurück auf der Nordhalbkugel

Die letzte Etappe war dann also New York, denn so kam ich am günstigsten wieder nach Hause... Und damit habe ich dann tatsächlich einen stopp auf der Nordhalbkugel und dem letzten Kontinent gemacht (die Antarktis zähle ich hier mal großzügig nicht mit). New York hat mir sehr gut gefallen, auch wenn der Urlaub irgendwie vorbei war.
Plötzlich fing ich nämlich z.B. an, mich um einen Job in London zu kümmern und meinen ersten Tag in New York habe ich damit verbracht, im Hyatt Hotel in einem Konferenzraum zu sitzen, wo ich umsonst das Internet nutzen durfte und ich hab mich um meine Bewerbungen gekümmert. Oder sagen wir lieber, damit anzufangen. Es hat noch mehrere Wochen gedauert, bis ich wirklich ernsthafte Bewerbungen abgeschickt habe.
Und ich habe ja meine beste Freundin Manu besucht, die zur Zeit in New York arbeitet und sie hat mich erstmal zu einem NBA-Basketballspiel mitgenommen. Erstmal sind wir stylisch zu spät gekommen, weil uns das Navigationssystem einmal quer durch die Stadt geführt hat, aber es war sowieso ein ständiges Kommen und Gehen und hat sich wirklich sehr amerikanisch angefühlt... Und Basketball ist schon sehr aktionreich und schnell, auch wenn ich längst nicht alles vom Spiel mitgekriegt habe - zu schnell für mich... Und wer da nun wen fault...
Dann habe ich doch noch einiges an Sightseeing in New York gemacht. Die Stadt gefiel mir wirklich gut, weil sie von Gegensätzen wirklich durchzogen ist. Sie ist riesig, es gibt alles, sie ist eine der wenigen Städte mit wirklich schönen Wolkenkratzern, weil die alle im Art-Deco-Stil der 20er und 30er Jahre erbaut sind und man dort anscheinend um die stilistischen Verbrechen der 60er und 70er Jahre relativ gut herumgekommen ist. Und man geht eine Straße entlang und kommt von einem Viertel mit Luxusläden plötzlich in eine Gegend mit Verkäufern von Handyhüllen und Billiguhren... Der krasseste Luxusladen, den ich gesehen habe, war übrigens für kleine Mädchen: dort kann man sich eine Puppe aussuchen, die so aussieht wie man selbst, sie so frisieren lassen und dann jede Menge Partneroutfits kaufen. Und das dann wirklich vom 20er Jahre Paillettenkleid bis zu Sportkleidung. Hieß dann auch noch "American Girl" oder so und die Klamotten waren nun wirklich nicht billig. Die Puppen hatten teurere Kleider als ich...
Nun ja, ich war z.B. auf dem Empire State Building, das in nur 9 Monaten gebaut wurde (manchmal pro Tag ein Stockwerk), was heute wohl nur noch in China oder so klappen würde, war in der Central Station und bei meinem Ex-Arbeitgeber, der UNO, wo mich am meisten die UNO-Flagge von dem zerbombten Büro in Bagdad beeindruckt hat. Mag kitschig sein, aber irgendwie ist das komisch, wenn man davor steht.
Und New York ist natürlich genauso wie London oder Paris eine Stadt der Museen. Ich hab zwar nun wirklich längst nicht alles gesehen, aber ich war wenigstens im Natural History Museum (wo ich mich vor allem über nervige Schulkinder geärgert habe), im Guggenheim Museum (wo allerdings das meiste gerade für eine Renovierung geschlossen war) , mit Manu im MOMA (wo wir uns viel zu lange mit der ganz modernen Kunst beschäftigt haben und kaum noch Zeit für die Klassiker hatten, so dass ich da unbedingt nochmal hinmöchte) und auch im Metropolitan Museum of Art. Da hab ich das besser angestellt, aber trotzdem hatte ich längst nicht genug Zeit... Definitiv eine Stadt, wo man immer mal wieder hinfahren sollte...
Wirklich toll war auch ein ausgiebiger Spaziergang durch den Central Park, der gerade im Herbst echt schick aussieht und ich hatte bestes Wetter (außer als ich mal vom Bahnhof zu Manu nach Hause musste und so ausgerutscht bin, dass ich wirklich direkt auf die Nase gefallen bin...).
Manu und ich waren auch noch gepflegt in der Oper und kamen uns chronisch underdressed vor...
Im Endeffekt wohl doch noch eine Menge Sightseeing, auch wenn meine Motivation irgendwann nachgelassen hat... Nach 9 Monaten ist es dann wohl auch einfach genug und ich war glücklich damit, Kaffee zu trinken und ein sehr spannendes Buch zu lesen. Bis zur Wall Street hab ich es noch geschafft, aber seit 2001 darf man ja leider noch nicht mal mehr die Börse angucken. Nur Ground Zero und dass ist im Moment ja nun wirklich eher ein großes Loch. Also hab ich lieber noch ein bißchen Kreuzfahrt gemacht, damit ich mir die berühmte Skyline auch vernünftig angucken konnte, aber z.B. zur Freiheitsstatur hab ich es gar nicht geschafft... Aber auch da darf man gar nicht mehr so weit hoch... Ach ja, die Sicherheitsvorkehrungen...
Jaaa, und dann war auch schon alles vorbei. Den Ohrwurm "New York, New York" bin ich auch irgendwann wieder losgeworden und hab mich natürlich sehr auf London gefreut! Schließlich muss man zugeben, dass ich auf dieses Wiedersehen seit 4 Monaten hingefiebert hatte.
Tja, und im Nachhinein muss ich sagen, dass auch alles wirklich gut geklappt hat. Ryan und ich mussten uns natürlich ersteinmal wieder aneinander gewöhnen und außerdem ja nun auch überlegen, wie das mit uns in der Zukunft weitergehen sollte. Mittlerweile ist Februar, ich habe mich ziemlich viel beworben und pendel zwischen London und Deutschland hin und her. Und ab März werde ich dann doch tatsächlich in London wohnen... Wird ja nun auch Zeit, sich wieder niederzulassen...

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