Mittwoch, September 06, 2006

 

Dreckspatzen im Dschungelcamp

Gott, zurueck aus dem Dreck!!!! Ich hab mich echt nie in meinem Leben so eklig gefuehlt wie heute Morgen. Nach der ersten Dusche fuehle ich mich jetzt dreiviertelsauber wuerde ich sagen...
Wie war es also im Dschungelcamp? Gelinde gesagt durchwachsen. Wir sind am Donnerstag Abend los und zunaechst mit unserem Guide Gary zu dritt in einem Tuktuk zum Hafen. Gary war ein netter kleiner Peruaner (23, da darf ich sowas sagen), der sein mittelmaessiges Englisch von zu coolen Amis gelernt hat und sich deshalb angehoert hat wie ein Gangsterrapper. Wir haben uns in einem lustigen Spanisch-Englisch-Gemisch verstaendigt, wobei die Kommunikation meist ueber mich lief, weil Fabian auch Probleme hatte das Englisch zu verstehen (und manchmal haben die Geschichten, die Gary so erzaehlt hat auch einfach nicht soviel Sinn gemacht). Er war also nett, aber kompetent nicht wirklich. Wusste auch nicht wirklich mehr ueber Schlangen als ich, ausser, dass er wusste wo die wohnen :-) Na ja, aber immerhin liess es sich mit ihm 5 Tage eigentlich ganz gut aushalten.
Also, am Hafen angekommen herrschte erst mal geschaeftiges Dschungelchaos. Eigentlich war es nicht wirklich nen Hafen sondern Strandufer, das verdaechtig einer Muellkippe glich. Aber zimperlich darf man ja nicht sein. Sonst war es aber lustig, ueberall wimmelte es von Leuten und fast jeder hat irgendwas zu Essen verkauft. Nee, um einen Snack sind die Peruaner nie verlegen. Unsere Haengematten hingen dann auch schon an Deck, wir hatten eiskaltes Bier eingekauft und haben uns mit Teigtaschen eingedeckt (das war wohl das leckerste, was ich die letzten 5 Tage gegessen habe) und es uns gut gehen lassen. Das Leben war schoen. Die Klos wurden in einer Tour geputzt (und im Stehen pinkeln ist fuer mich nun wirklich kein Problem mehr), es wehte ein laues Lueftchen, es gab keine Moskitos, das Baby von gegenueber hat kaum geschrien und mit ca. 2 Stunden Verspaetung legte das Boot dann auch ab. Ach und Haengematten koennen wirklich sehr gemuetlich sein. Wenn sie einigermassen gross sind hat man sogar sowas wie Privatsphaere und sieht seinen Nachbarn gar nicht :-) Und irgendwie hatte die Bootstour echt Stil. Am naechsten Morgen haben wir auch Delphine gesehen (ja, im Amazonas gibt es die groessten Delphine der Welt, die rosa Delphine...).
Der Aerger fing damit an, dass wir am naechsten Tag mit guten 6 Stunden Verspaetung im Dorf Herrera ankamen. Da sind wir erstmal durch das Doerfchen gelatscht und haben Mittagessen serviert gekriegt. Die Menschen besitzen da echt nix, ein Radio ist schon viel. Die Haeuser sind aus Dachlatten, die Daecher aus geflochtenen Palmwedeln, irgendwo haengt ein Heiligenbild oder ein Kalender mit Wahlwerbung und unser erster Kommentar war: na, wenn wir hier nicht Durchfall kriegen, kann unser Magen echt alles ab. Z.B. war die Gefriertruhe mit Rost und Dreck zersetzt. Nee, ich kann das echt nicht beschreiben und fotographieren tut man sowas ja nun auch nicht. Aber: das Huhn war gut und der Reis mit einer leckeren Chillisauce (nur als ich eine Chillischote gegessen habe konnte ich nicht mehr aufhoeren zu heulen), dazu frischen Ananassaft. Konnten im Dorf sogar Biernachschub kaufen, beeindruckend.
Dann ging es mit nem kleinen Motorboeotchen weiter. Fabian und ich waren beide bisschen skeptisch am Anfang, schliesslich lief bisschen Wasser ins Boot und es schaukelte ganz gut. Wirkte ziemlich klein auf dem grossen Fluss. Wir hatten ja keine Ahnung!!! Bald hielten wir am Flussrand, um frische Wassermelonen zu kaufen. Bisschen dreckig, aber sonst gut. Fabian hat da noch gesagt, dass er lieber nicht in den Fluss moechte und der Matsch am Rand hat ihm auch nicht gefallen. Ich hab Schlammcatchen vorgeschlagen, aber gut, dass Fabian da gememmt hat, sonst waere ich am ersten Tag ja schon komplett dreckig gewesen... Die Fahrt war sonst wirklich schoen, der Dschungel an den Seiten, ueberall Schmetterlinge (die riesigen blauen, ich glaub die groessten der Welt) und Voegel, vor allem Eisvoegel. Aber fotographieren war ein bisschen schlecht, die waren einfach zu schnell und ich hab die Spiegelreflexkamera benutzt.
Nach so 3 Stunden steckten wir dann das erste Mal fest. Ist grad Trockenzeit und der Fluss ist niedrig und es liegen ne Menge Baeume drin. Kamen natuerlich wieder frei, aber danach sprang der Motor nicht mehr an. Gary beschloss, zum naechsten Dorf zu laufen und ein Ersatzboot zu besorgen (nachdem wir erst mitsollten, aber die Idee hat er schnell wieder verworfen. Mit Flipflops durch den Dschungel ist auch einfach nicht ideal...). Wegen eines dringenden Beduerfnisses machte Fabian dann auch den ersten Kontakt mit dem Matsch. Tja, das sollte nicht der letzte bleiben. Man musste den Gedanken daran echt verdraengen, was alles in diesem Fluss schwimmt. Einerseits Anacondas und Piranhas (die fressen nur blutige Sachen sofort, laeuft nicht so wie im James-Bond-Film), andererseits jede Menge Muell, vor allem auch Batteriesaeure und sowas...).
Na ja, das Boot kam und die Fahrt ging noch ueber 1,5 Stunden weiter. Da war es dann auch schon dunkel, ich hatte etwas Angst und habe bis heute keine Ahnung wie die Jungs bei Dunkelheit den Fluss navigiert haben. War echt pechschwarz und der Fluss wurde immer unpassierbarer... Wir haben echt die Minuten gezaehlt bis wir endlich im Camp waren.

Jaa, das Camp. O-ton des Typen von der Agentur: "Leider haben wir keine Badezimmer im Bungalow, das ist ausserhalb". Im "Bungalow" waren die Matratzen sehr eklig, ausserdem hatte ich schon ziemlich viele meiner Freunde der Kakerlaken getroffen, so dass Fabian und ich lieber in unseren Haengematten mit Moskitonetzen geschlafen haben. Das Badezimmer war eine Ekelkloschuessel ueber einem Loch in einem Verschlag mit Folie als Tuer. Dusche gab es nicht. Wasser hat eklig geschmeckt, weil das immer mit Tabletten chemisch gereinigt werden muss, fuer Tee und Kaffee gab es Flusswasser, was eine angenehme braune Farbe hatte. Wie gesagt wollte Fabian am Anfang noch nicht mal mit dem Fluss in Beruehrung treten... Es wohnt eine Familie da, die sich um das Essen und so kuemmert.
Aber am naechsten Morgen war schon alles etwas besser. Hab mich nachts noch nicht mal aufs Klo getraut, aber tagsueber sieht man keine Kakerlaken, also bin ich im Morgengrauen los und wurde taetlich von dem Hausschwein angegriffen, das gegen die Folie gesprungen ist waehrend ich auf Klo stand. Super. Fabian hat noch gelacht, bis ihm am letzten Tag dasselbe passiert ist und er mit einem Maedchenschrei auf die Plattform gesprungen ist. Danach sind wir nur noch mit Stock rumgelaufen, dann hatte das Schwein Angst. Sowas auch... Ein aggressives Schwein.
Wir haben dann unsere Sachen gepackt und sind mit kleineren Kanus weiter zu unserem Campingplatz im Dschungel. Wollten ja nun weg von der Zivilisation und in der Wildnis schlafen. Konnten allerdings nicht bis zu jungfraeulichem Dschungel, weil der Fluss irgendwann unpassierbar wurde und selbst mit Fabians Hilfe konnte das Boot nur schwer sie das Boot nur schwer freibekommen. Da wir uns hier ja in einem Machismo-Land befinden, brauchte ich zum Glueck gar nix machen: nicht aussteigen und schieben, nicht rudern und auch keine Sachen schleppen. Sehr gut. War sozusagen bisschen Queen des Amazonas, auch wenn ich auf dem Foto nur gelegen habe, weil mir das Kreuz vom Sitzen im Kanu weh tat... Mit den Haengematten wurde das natuerlich auch nicht besser und ich bin auch noch einmal auf einem glitschigen Baumstamm ordentlich auf das Steissbein gefallen...
Wir bzw. unser Guide und sein Kumpel haben dann erstmal unsere Haengematten in der Wildnis aufgehaengt und mussten zunaechst giftige Raupen vertreiben, die auf dem Baumstamm sassen. Da ich schon keine Fotos von Schmetterlingen einstellen kann...
Dann ging es mit den guten Gummistiefeln auf einen Urwaldspaziergang. Tiere haben wir keine gesehen ausser ein paar Affen aus der Ferne und der Spur eines Tapirs. Spaeter dann auch noch den Schlafplatz eines Ozelots. Dafuer hat uns Gary bisschen was ueber verschiedene Baeume erzaehlt, Fabian durfte mit der Machete eine Palme faellen fuer Palmenherzen (fuer Salat), wir haben aus Lianen Wasser getrunken und fuer Fabian (der etwas seinen Rambo-Tarzan-Vorstellungen gerecht werden musste) haben die Jungs 3 Palmen abgeholzt, um Platz zu schaffen, damit er an ner Liane rumschwingen konnte.
Ich konnte das aus oekologischen Gesichtspunkten nicht gutheissen, aber Oekotourismus war das, was wir da gemacht haben eh nicht... Bin dann doch auch mal geschwungen, war dann ja eh zu spaet, hab aber (wie sollte es anders sein) nicht so eine fantastische Figur gemacht :-). So super war der Waldspaziergang aber echt nicht. Nicht nur wegen des pulsierenden Testosterons um mich rum, sondern die Enttaeuschung ueber keine Tiere war gross. Ausserdem lief uns die ganze Zeit der Schweiss, die Muecken haben mich mehr oder weniger gefressen (hab jetzt ca. 70 Stiche, unter anderem auch unter den Fusssohlen...) und der Schweiss hat sich irgendwann in den Gummistiefeln gesammelt...
Am Nachmittag haben wir dann auch auf eine weitere Dschungeltour verzichtet und sind lieber Fischen gegangen. Mit primitiven Angeln auf Piranha-Jagd. Ich hab 3 Fische gefangen und war auch total stolz auf mich. Bei einem habe ich mich sogar getraut, den Haken aus dem Maul zu machen... Die Piranhas sind aber eher klein, wenn auch ziemlich bissig. Selbst vollkommen tot haben die noch so einen Beissreflex, dass man seinen Finger nur sehr schwierig aus dem Maul bekommt... (haben wir mit Gras probiert...). Fabian hat dummerweise nix gefangen und hatte nicht so gute Laune. Das Gemeine ist, dass die Viecher den Koeder fressen, aber so schnell sind, dass es schwierig ist, die Angel im richtigen Moment zu ziehen... War schon lustig, aber Angeln wird denn nach ein paar Stunden auch langweilig...
Abends wurden die Fische gegessen. Hier ist es ueblich, selbst den Kopf mitzuessen, aber mir sahen die Viecher noch viel zu lebendig aus und ich steh ja nicht so auf Fisch. War wohl auch gut so, Fabian hatte naemlich am naechsten Tag Durchfall und mir ging es gut. Die Abende hier waren sehr kurz und langweilig, weil mich ab Anbruch der Dunkelheit die Muecken zu sehr genervt haben und man kann ohne Strom abends ja auch nicht wirklich viel machen. Im Dschungel schlafen war gar nicht so anders wie im Camp, Haengematte bleibt Haengematte. Und mich haben die Geraeusche im Dschungel nicht so gestoert. Ein Jaguar oder sowas wuerde ja eh nicht angreifen. Irgendwie blieben die Tiere fuer mich schon eher abstrakt, auch wenn die Baeume die ganze Zeit so knacken, als kaeme etwas durch den Dschungel...
Am naechsten Tag ging es morgens um 6 Uhr wieder los, zurueck zum Camp. Fruehstueck und dann wollten wir zu einem See, wo es angeblich Krokodile und Faultiere geben koennte. Ewig mit dem Kanu unterwegs, dann ewig durch die Pampa gelatscht und am Ende konnte man zu dem See nicht hin, weil wegen des niedrigen Wassers niemand Kanus da hat. Also blieb uns nix anderes uebrig als nochmal ne Runde im See davor zu fischen. Fabian hatte bald die Schnauze voll, vor allem, weil es ihm ja eh nicht gut ging. Es war aber auch nicht spannend und wir haben wieder nix gesehen. Faultiere waeren es ja gewesen. Im Dorf habe ich dann noch einer Frau zwei meiner Ohrringe geschenkt, weil sie sich die so genau angeguckt hat und wir haben Kinder beobachtet, die ein Otterbaby gefangen hatte und das arme Vieh geaergert haben. Ich habe der Frau erzaehlt, wie meine Reise weitergeht, aber ich glaube nicht, dass sie irgendwas verstanden hat, weil sie noch nicht mal wusste, wo Lima ist.
Die Einfachheit der Leute ist wirklich der Hammer. Am Abend hatte ich eine lange Diskussion mit dem 17jaehrigen Alex, dem Kumpel von Gary. Es fing damit an, dass sich die Menschen im Camp alle neugierig die Bilder in meinem "Spiegel" angeguckt haben (das sagt ja schonmal viel ueber die gaehnende Langeweile abends) und Alex von einer russischen Militaerparade fasziniert war. Dann ging es darum, was ich von Krieg halte und warum er es sehr wichtig findet, dass ein Land eine grosse Armee hat... Kriegsbegeistert wie bei uns die Jungs vorm ersten Weltkrieg. Habe ihm dann (mit dem Vokabular einer 3jaehrigen) die deutsche Weltkriegsgeschichte erzaehlt und versucht ihm klar zu machen, warum Krieg was Schlechtes ist... Dann ging es um Drogen, er ueberlegt naemlich wohl erstmal viel Geld zu verdienen und das geht am Besten als "Narcotraffico", d.h. als Drogentransporteur und -schmuggler. Mann Mann, es war nicht leicht zu erklaeren, warum das keine gute Idee ist! Soviel Naivitaet ist mir glaub ich noch nie untergekommen. Er hat Pablo Escobar bewundert, findet Waffen toll und toeten ein Aergernis bei dem Job... Irgendwann konnte ich echt nur noch mit der Religionskeule argumentieren (und auf Spanisch ist es auch wirklich schwierig, ne Moralphilosophie auszubreiten...) und hab mich angehoert wie ein Missionar, dabei war er der glaeubige Katholik von uns beiden... Mir wird echt immer mehr klar, dass Bildung der einzige Weg ist, wie man die Welt retten kann (als Aufmunterung fuer meine Lehrerfreunde). Kein Wunder, dass die Haeuser in diesen Gegenden ueberall mit Wahlwerbung vollgepinselt sind, die Menschen sind echt so leicht zu beeinflussen! Na ja, vielleicht hab ich ja was bewirkt und der Junge wird nicht Drogenschmuggler... Viele lukrative Alternativen gibt es hier oben aber nun auch nicht... Wir haben wirklich keine Ahnung wie gut wir es haben. Wenn ich den Wert der Wohnungseinrichtung eines Sozialhilfeempfaengers und den der Einrichtung dieser Menschen vergleiche wird mir echt ganz anders. Wir wissen gar nicht, was Armut ueberhaupt ist. Und dies waren nicht Bettler auf der Strasse oder sowas, sondern der Carlos-Normalverbraucher dieser Gegend. Wir haben echt beide mindestens 20 mal betont, wie froh wir sind, dass wir hier nicht leben muessen...
Am letzten Tag haben wir dann nochmal bisschen tropischen Regen erlebt und hatten einfach nur noch die Nase voll und wollten nach Hause. Ich hab mich echt noch nie so nach ner Cola und was Vernuenftigem zu Essen gesehnt. Wir konnten beide im Kanu nicht mehr sitzen, haben gestunken wie sonstwas und ich hab ueberall Mueckenstiche und Ausschlag. Mir juckt echt alles. Zum Mittagessen (im Dorf wo das Schiff abgelegt hat) gab es wieder fast lebendig aussehenden Fisch und als Pommesersatz fritierte gruene Bananen. Ich haette Kotzen koennen und wir haben beide aus Hoeflichkeit wenigstens einen Fisch gegessen... Bah! Und dann hiess es warten. Zum Glueck gab es Drahtstuehle mit gespannten Plastikbaendern dazwischen (wie Waescheleine). Wie kann man nur sein Leben lang ohne Sitzgelegenheiten auskommen!!!
Nachmittags waren wir noch ein bisschen Delphine gucken, aber so richtig gute Fotos sind nicht dabei rausgekommen. Und wir haben beide gemerkt, wie reisemuede wir sind. Als ich Delphine von ganz weitem in Suedafrika gesehen habe, war ich noch ganz aufgeregt. Hier habe ich nur geflucht, weil ich sie nicht vernuenftig fotographieren konnte. Abends kam das Boot einigermassen puenktlich und ich hab mich sehr schnell aus jeglicher Konversation ausgeklinkt und hab versucht zu schlafen, damit ja die Zeit schnell rumgeht. Hat auch geklappt und heute Morgen um 5 Uhr waren wir wieder in Iquitos und um 6 Uhr stand ich unter der kalten Dusche. So, und jetzt werden Hamburger gegessen, bevor ich Morgen nochmal fuer 3 Tage oder so Abschied von der Zivilisation nehme...

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