Samstag, September 02, 2006

 

Die Cordillera Blanca - zu ganz neuen Hoehen

Mein Gott, bin ich vielleicht kaputt!!! Gerade wieder in Lima angekommen nach einer weiteren Nacht im Bus, in der ich fast genauso schlecht geschlafen habe wie auf der Hinfahrt. Und jetzt kann ich nicht in das Appartement, weil Maria Eugenia nach ihrer Schoenheitsoperation bei ihrer Schwester untergekommen ist und ich warten muss. Bis 10 Uhr oder so. Und ich bin seit heute Morgen um 5 Uhr hier...
Na ja, was soll´s, werde mich halt heute Nachmittag hinlegen. Kommen wir zu erfreulicheren Dingen: mein Andentrip war absolut Klasse. Bin also am Sonntag mit dem Nachtbus nach Huaraz (3100m ue.N.N., zum Vergleich: die Zugspitze ist knappe 3000m hoch, der Mont Blanc als hoechster Berg Europas knapp 4800m) und war dann Montag um 6 Uhr morgens da. Da ging es mir erstmal total dreckig. Hatte die Nacht ueber Magenkraempfe und konnte schlecht schlafen, dann hatte ich die ersten Tage in Huaraz auch noch ne Erkaeltung und hab schlecht Luft gekriegt und dann halt die Sache mit der Hoehe. Es ist echt der Hammer, nach 10 Metern bergauf laufen ist man total fertig, man hat Kopfschmerzen wie sonst was oder es ist einem schlecht, die Fuesse und Haende schlafen einem ein... Ich bin mit Mueh und Not unter Abwehr von vielen Taxifahrern und Seelen/Tourenverkaeufern zu meinem Hostel. Richtig nett, wie so ein kleines Hotel in den Alpen oder so. Vernuenftige Dorms, netter Gemeinschaftsraeume, vor allem im obersten Stock mit Kamin, Sofas und Blick auf schneebedeckte Berge. Das wusste ich allerdings am ersten Tag noch nicht, da waere ich die 5 Treppen wohl nicht hochgekommen. Schon so hatte ich das Gefuehl, dass ich jeden Moment umkippen koennte. Also erstmal geschlafen, was mehr schlecht als recht ging, weil ich die ganze Zeit das Gefuehl hatte, ich bekaeme keine Luft. Durch die Nase einatmen ging gar nicht und die ersten 3 Tage hatte ich konstant Durst. Witzig war auch, dass Shampoo etc. beim Aufmachen erstmal ordentlich geploppt hat und ausgelaufen ist (wegen des Druckunterschieds). Montag Nachmittag war ich dann kurz im Dorf, hab vegetarisches thailaendisches Curry gegessen (worueber ich sehr gluecklich war, da Peruaner meist Fleisch mit Reis UND Kartoffeln als Beilage essen, Gemuese ist eher rar) und habe mir dann im Hostel mit 2 Kanadiern den Film "Touching the Void" angeguckt. Geht um zwei Bergsteiger, die in den peruanischen Anden eine Erstbesteigung versucht haben und fast gestorben waeren. Die Kanadier hatten einen 12-Tages-Trek versucht, der eine wurde auf dem ersten 6000m-Pass aber so hoehenkrank, dass sie umkehren mussten. Gleich danach habe ich noch zwei Aachener Physiker kennengelernt, die schon 2 6-Tagestouren hinter sich hatten und sich gerade auf die Erkletterung des Pisco vorbereitet haben. Ach ja, und noch ne Amerikanerin, die in Guatemala als Trekking-Guide gearbeitet hat. Und ich hab keine Luft gekriegt... War echt witzig, in Buenos Aires tanzten im Bad die ganze Zeit brasilianische bauchfrei-Huehnchen rum und ich hatte das Beduerfnis meinen Make-up-Vorrat aufzustocken und in dem Hostel ging es beim Fruehstueck darum, ob man zum Eisklettern lieber die langen oder die kurzen Aexte mitnehmen sollte. Und ich war weit und breit die einzige Person ohne Wanderstiefel...
Huaraz ist eine ziemliche Touristen-Stadt, aber man fuehlt sich auf jeden Fall viel mehr in Peru als in Lima. Die Haeuser bestehen meist nur aus unverputzten Lehmsteinen mit Daechern aus Wellblech oder auf dem Land auch Stroh. Die Frauen tragen sehr oft traditionelle peruanische Kleidung: den typischen Hut, bunte Faltenroecke bis zu den Knien, Strickjacken und bunte Tuecher, in denen sie wahlweise Kinder oder Sachen zum Verkaufen transportieren. Habe mich nicht getraut, das von nahem zu fotographieren, aber definitiv sehr schick. In Huaraz waren sie meist am Stricken und haben bunte Schals, Muetzen und Handschuhe verkauft. Anstatt richtiger Farbe sind die Haeuser oft mit Grafitti verschmiert, Wahlwerbung. Hier gibt es anscheinend keine Plakate, sondern einfach Grafitti... Statt an Hauswaenden oft auch mitten im nix auf Steinen oder so.
Nun ja, am Dienstag habe ich meine erste Tour gemacht, zu den Ruinen von Chavin Huantar. Die Chavin hatten ihre Bluetezeit so ab 1200 v.Chr. (die Inkas erst so ab 1300 n.Chr.) und haben zu der Zeit diesen Tempel gebaut mit ganz vielen labyrinthischen Katakomben, die wohl ein faszinierendes Belueftungssystem haben. Nun ja, ich muss zugeben, dass ich fuer Archaeologie einfach nicht so zu haben bin. Ist ja toll, dass die es geschafft haben einen kreisrunden Platz zu bauen, einen perfekt quadratischen und einen erdbebensicheren Tempel (was hier in der Gegend einiges heisst), aber fuer mich ist das halt einfach ein Haufen Steine. Bekannt sind die Chavin vor allem fuer ihr Design: lustige Sklavenkoepfe als Waechter mit dicken Nasen (weil sie einen Kaktus als Droge benutzt haben wovon man Nasenbluten bekam und sich dann Watte in die Nase gestopft haben) und der "Lanzas"-Obelisk, wohl eine Gottheit mit feinen Steinmetzarbeiten, die mitten im Labyrinth steht (hier nur eine Replik mit dem halluzinogenen Kaktus im Hintergrund).
Nun ja, die Tour war geht so, 4 Stunden Busfahren, dauernd auf Spanisch vollgelabert werden und dann 3 Stunden Ruinen-Tour in der strahlenden Sonne war ziemlich anstrengend. Abends hatte ich richtige Kopfschmerzen, da hat auch kein Cocatee mehr geholfen (der ist legal und gut gegen Hoehenkrankheit, genauso wie das Kauen von Cocablaettern). Toll ist, dass so eine Tagestour nur so 7 Euro kostet und die Aussicht, die man ueberall auf dem Weg hat, ist einfach fantastisch. Ich werde da immer mal wieder ein paar Fotos einfuegen. Schlimm sind die vielen Menschen, die einem was verkaufen moechten, vor allem die Kinder. Peru ist halt ein dritte-Welt-Land, das wurde mir da weitaus krasser bewusst als im behueteten Miraflores...
Am Mittwoch habe ich eine weitere Tour zu einer Berglagune gemacht, deren Namen ich nicht buchstabieren kann... Die Tour war noch ne Nummer turistischer, mit Besuch beim Karamellhersteller, bei einer Toepferei und bei ner Eisdiele. Sprich es wurde in jedem Kaff haltgemacht und ausser tollen Aussichten hatten die eigentlich nix zu bieten.
Immerhin hatten wir einen tollen Blick auf den Huarascan, mit ca. 6700m der hoechste Berg der Cordillera Blanca. Sehr beeindruckend. Sogar noch mit mir davor :-)

Tuerkise Bergseen sind natuerlich auch schoen, selbst wenn einen die Fliegen nerven und relativ aggressiv zubeissen. Und ich war begeistert, weil ich "Chocla con queso" (Maiskolben mit so ner Art Fetakaese) gegessen habe, den eine Frau quasi auf dem Fussboden zubereitet hat und mein Magen hat es fantastisch vertragen.

Auf dem Rueckweg waren wir noch in Yungay, ein Doerfchen, das von Erdbeben und Lawine 1970 komplett zerstoert wurde. Bei dem Erdbeben kamen insgesamt 70000 Menschen in der Gegend um, davon 20000 in dem Dorf, quasi komplett begraben. Von der Katedrale liegen noch einige Steine rum, aber das auf dem Foto ist eine nachgemachte Fassade. Im Hintergrund sieht man, wo der Kram runterkam (leider ist der Berg schon etwas in Wolken gehuellt, live sah das noch viel bedrohlicher aus). Das Dorf wurde von einem 200m hohen Huegel geschuetzt, der z.B. schon 1962 eine Lawine aufgehalten hat. Aber 1970 wurden mit dem kleinen Teil, der "ueberschwappte" immer noch hausgrosse Steine transportiert (einige sieht man auf den Fotos). Zur Illustration mal ein alter Omnibus. Verschont wurde 300 Kinder in einem Stadion, die spaeter alle adoptiert wurden und 92 Leute auf dem Friedhofshuegel (welch Ironie), da wo man die Christusstatue sieht). Es war wirklich ziemlich ergreifend, da oben zu stehen und auf den Berg zu gucken und sich vorzustellen, wie es waere, wenn da so eine Riesenlawine herunterkommen wuerde. Ich will nicht behaupten, dass man sich das wirklich vor Augen fuehren kann, aber mir war hoechst mulmig zumute. Heute ist das Dorf ca. 1km weiter wieder aufgebaut, diesmal hinter einem viel hoeheren Huegel. Und damals gab es viele Probleme mit der internationalen Hilfeleistung, heute hat die Gegend einen Flughafen etc..
Auf der Tour habe ich ein deutsches Sonderpaedagogenpaearchen kennengelernt (auch grad fertig und reisen zusammen...), mit denen ich mich gut verstanden habe, also haben wir spontan beschlossen, am Tag danach zusammen wandern zu gehen (einmal wollten wir statt einer Touristenbergtour ja auch das richtige Wandererlebnis geniessen, wenn auch nicht tagelang und mit Gepaeckschleppen und so...). Mittwoch Abend habe ich im Hostel zum Glueck auch jede Menge "normale" Leute sprich nicht-Extrem-Wanderer kennengelernt (z.B. einen Schweizer der tatsaechlich Praezisionswaagen herstellt (um das Kilogramm als Masseinheit festzulegen, jedes Land hat eine), wovon 6 im Jahr verkauft werden und die er in aller Welt installieren darf - mehr Klischeeschweizer geht wohl nicht, oder?) und auch meine Kopfschmerzen waren laengst nicht mehr so schlimm, so dass ich mich denn auch fit fuer`s Wandern fuehlte.
Wir haben uns den Weg zur Laguna Churup ausgesucht. Eine halbe Stunde mit dem VW-Bus auf ca. 3500m hoch, dann 1:20 zum richtigen Weganfang, dann 2 Stunden hoch bis zur Lagune auf 4500m (nochmal zur Verdeutlichung: fast so hoch wie der hoechste Berg Europas...) und dann halt wieder runter. In meinem Reisefuehrer der einzige Wanderweg, der als "schwierig" eingestuft wurde, aber irgendwie haben wir das grosszuegig ignoriert. Sind halt morgens schon um 8 Uhr los und haben im Bus ein italienisches Paearchen (topfit, er Bergsteiger...) inklusive Fuehrer getroffen, die uns netterweise unter ihre Fittiche genommen haben, sonst haetten wir mal den Weg gar nicht gefunden. Schon die ersten 1:20 Stunden, die bei uns so 1:30 gedauert haben, waren nur bergauf und am Ende musste ich schon so alle 100m oder so Pause machen, weil der Puls konstant auf 180 war und ich einfach keine Luft gekriegt hab. Aber sobald man ne Minute anhaelt ist auch wieder alles ok. Mit meiner verstopften Nase wurde es natuerlich nicht einfacher. Da war es aber noch nicht so tragisch, weil wir sowieso oft zum Fotos machen usw. angehalten haben. Es ging vor allem an peruanischen Bauern und ihren Tierchen vorbei. Tiere sind hier Klasse, alle viel flauschiger als bei uns. Aber schon deprimierend, als eine aeltere Peruanerin mit Mann an uns vorbeistratzte (er auf einem Esel...).
Vor dem echten Weg haben wir dann nochmal ein gutgelauntes Foto gemacht. Von dem Guide ist auch noch irgendeine Freundin mitgekommen, die ist mit hohen Schuhen den Berg hoch. Der Hammer... Um das nochmal zu verdeutlichen: da hatten wir 1,5 Stunden hinter uns und wir wollten zu dem schneebedeckten Berg den man hinter dem Schild in der Ferne sieht.
Tja, fuer die 2 Stunden bergauf haben wir dann ca. 3 gebraucht. Und da bin ich dann echt an meine Grenzen gekommen. Das letzte Stueck war Klettern, das ging fuer mich persoenlich, weil man das langsam macht, aber davor war so eine Riesensteigung, bei der man kein Ende absehen konnte und ich musste am Ende echt alle 50 Schritte anhalten, weil mein Herz so gerast ist und ich Angst hatte umzufallen. Das zweite Foto ist so ungefaehr auf halbem Weg. Man kann sich echt nicht vorstellen, was fuer eine Wirkung die Hoehe hat. Und 5 Stunden bergauf laufen ist ja auch an sich schon anstrengend. Oben angekommen zitterten mir die Beine und die Haende, das hab ich vorher noch nie so erlebt. Tja, die Lagune sah dann auch nicht mehr schoen tuerkis aus, weil sich der Himmel zugezogen hatte und da oben fing es dann an zu schneien bzw. hageln. Also nix mit lange Ausruhen, sondern fix wieder runter.
Das Problem dabei war, dass wir Angst hatten in ein Gewitter zu geraten. Der Kletterpart war schon gar nicht so einfach, weil die Steine rutschig waren und besonders die Italienerin hatte ziemlich Angst, waehrend ihr Freund wie so ein Bekloppter ueber die Steine gehuepft ist... Und ich finde meine Beine in manchen Situationen zu kurz... Na ja, der Guide und der Italiener haben uns da alle runtergelotst und wir haben auch noch ein anderes deutsches Paearchen mitgenommen. Danach ging es aber los, da fingen die richtig an zu rennen. Insgesamt haben wir fuer den Rueckweg keine 2,5 Stunden gebraucht. Ich bin etwas zurueckgeblieben, weil ich mit meinen Turnschuhen auf dem Geroell nur am Rutschen war und sowieso schon dauernd umgeknickt bin... Wollte mir da nicht noch irgendwie den Fuss verstauchen. Am Ende war ich so 5 Minuten oder so hinter den anderen. Und es ging mir echt Scheisse. Hatte zwischendurch Kraempfe im Fuss und mir tat echt alles weh, jeder Muskel im Bein, die Hueften... Bin halt absolut unfit... Am Ende hab ich dummerweise auch noch die falsche Abzweigung genommen und wurde darauf netterweise von ein paar Baeuerinnen mit Esel hingewiesen, die dann auch wieder mit mir den Berg hochgekommen sind. Ich haette fast angefangen zu heulen, als ich wieder bergauf laufen sollte und dann auch noch mit deren Tempo mithalten musste. Na ja, nach fast 7,5 Stunden war ich halt echt am Ende. Zum Glueck habe ich aber den Bus noch gekriegt und die anderen waren auch froh, dass ich endlich da war. Als wir wieder unten waren, musste sich der Deutsche erstmal uebergeben... War halt nicht akklimatisiert und es war dann wohl doch alles zuviel. Mir tat echt alles weh. Herz und Lunge wie noch nie in meinem Leben (hab jetzt noch Probleme beim tief Einatmen), komplett die Beine vor allem mit Baendern usw.. Wie Capoeira-Muskelkater, Mouna :-). War einfach nur froh als ich im Bett lag.
Tja, und am naechsten Tag ging es dann auf den Gletscher. Wieder eine Bustour, aber das war mir auch nur recht. Hab die zusammen mit einer 30jaehrigen Australierin aus Perth gemacht und wir haben uns beide ziemlich ueber vernuenftige Frauengespraeche gefreut. Bei mir ist sowas ja sowieso konstant noetig und ihr lag auf dem Herzen, dass ihre Schwester eventuell eine Fruehgeburt haben koennte. Na ja, zunaechst war der Bus 1 Stunde zu spaet, irgendeine Panne oder so. Auf dem Hinweg haben wir noch bei den Raymondi-Pflanzen angehalten, die es nur dort gibt. Werden so 12Meter hoch oder so, leben hundert Jahre und bluehen nur am Ende einmal fuer 3 Monate. Relativ beeindruckend.
Dann weiter zum Gletscher, diesmal auf 5400m hoch. Wieder fast 1 Stunde bergauf laufen, aber wir haben gut Pausen gemacht und das war alles gar kein Problem. Bei Gletscher lasse ich mal die Fotos sprechen. Besonders die Eishoehlen waren sehr faszinierend. Wir sind nicht soweit auf den Schnee geklettert, weil der vereist und sehr rutschig war. Ich bin am Ende auf den Fuessen runtergerutscht und hatte Spass, wie man sieht... War stolz auf mich, dass ich gar keine Hoehenprobleme mehr hatte, keine Kopfschmerzen, kein Schwindel nix... Der armen Deborah hab ich am Ende Cola eingefloesst, dann ging es bei ihr auch wieder. Tja, und nachdem sie mir dann noch Duschasyl gewaehrt hat, hiess es dann wieder eine Nacht im Bus verbringen... Die Busse sind Klasse, aber schlafen konnte ich irgendwie trotzdem nicht. So und jetzt sollte ich wohl langsam versuchen, in das Appartement zu kommen und schlafen zu gehen... Ach ja, professioneller Bergsteiger werde ich definitiv nicht, aber ich bin stolz auf mich :-)

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