Sonntag, August 27, 2006

 

Es geht wieder los

Jetzt ist es schon wieder einige Zeit her, dass ich hier meine Memoiren zum Besten gegeben habe und das liegt nicht etwa daran, dass ich ach so gestresst gewesen waere, sondern eher daran, das gar nicht soviel passiert ist. Bevor ich aber anfange zu erzaehlen, ne kurze Frage: ich ueberlege gerade bei meiner Rueckkehr so ne Art kommerzielle Diashow zu veranstalten, wo der Schwerpunkt allerdings nicht so sehr auf Bildern, sondern eher auf Geschichten und Reisetipps liegen wuerde, also viele der Inhalte dieses Blogs wuerden wieder aufgegriffen werden. Haltet ihr das fuer ne gute Idee? Einfach mal auf Kommentar unten klicken und ne Meinung abgeben, wenn ihr moegt. Und bitte ne ehrliche, ich haette naemlich keine Lust, mir die ganze Diashow-Arbeit umsonst zu machen…
Also, zurueck nach Lima. Die Situation hat sich nicht wirklich verbessert oder verschlechtert. Die Arbeit ist leider immer noch sehr langweilig und ineffektiv, weil hier mittlerweile alle sehr gestresst sind, da bis Ende August noch einiges an Geldern aufgetan werden muss, damit alle Projekte weiterlaufen koennen. Damit ist die Grundstimmung nervoes und einige Leute haben Angst, bald ihren Job zu verlieren (mit gutem Grund, es muessen wohl 12 von 70 Leuten gehen). Also hat kein Mensch Zeit fuer eine doofe Praktikantin und viele meiner Fragen muessen unbeantwortet bleiben und ich bin noch nicht einmal nahe daran, effektive Arbeit zu leisten. Und das passt mir gar nicht, laesst sich aber auch wohl nicht aendern. Also gebe ich nach 4 Wochen jetzt auf, lasse meine eher naiven Vorstellungen vom Volunteering endgueltig in den Abfalleimer der Kindheitstraeume gleiten und gehe lieber wieder Reisen. Man muss schon wenigstens die Sprache sprechen, um wirklich etwas Sinnvolles zu tun. Weitere Qualifikationen waeren wuenschenswert und irgendwie gibt es doch sehr viele Menschen, die ihr ganzes Leben um so eine Arbeit herum aufbauen, da kann man bei 3 Monaten wohl nicht wirklich viel erwarten. Trotzdem werde ich in den naechsten Wochen zwischendurch meine Analysen weitermachen, nur dazu muss ich beim besten Willen nicht Vollzeit arbeiten. Natuerlich habe ich in der Zwischenzeit viele Berichte gelesen und mir ein genaueres Bild von den Projekten gemacht. Es war allerdings schwer, sich ein Urteil ueber den Erfolg der Projekte zu bilden, weil jeder Bericht einen komplett anderen Stil hatte als alle anderen und "Kennzahlen" oft fehlten. So weiss ich z.B. wieviel Umsatz die einzelnen Bauernfirmen gemacht haben, aber nicht wieviel Gewinn und auch nicht, was davon im Endeffekt bei den Bauern landet. Teilweise konnte ich noch nicht einmal rauskriegen, wieviele Bauern zu einzelnen Firmen gehoerten. Oder wieviel Coca die heute noch anbauen und wieviel sie vor den Projekten angebaut haben. Es scheint definitiv einige Defizite in der Evaluation zu geben, weil es anscheinend nicht so leicht ist, an die Zahlen heranzukommen. Man darf ja nicht vergessen, dass es sich um ziemlich abgelegene Gegenden handelt, die man teilweise gar nicht ueber Strassen erreichen kann. Und alle Berichte sind natuerlich positiv gefaerbt. So wird lang und breit ueber den Erfolg der 10 groessten Firmen geredet, die immerhin 39.9 Mill.US$ Umsatz gemacht haben und fuer 10% der peruanischen Kaffeeexporte und sogar 50% der peruanischen Kakaoexporte verantwortlich sind. Allerdings gehen davon ca. 25 Mill.US$ auf das Konto einer einzigen Firma. Die zweite macht ueber 5 Mill. US$ Umsatz hat aber auch ueber 4000 "socios". Ist das dann denn wirklich viel? Und wie viele Firmen wurden gegruendet, die nicht funktionieren? Ich habe ehrlich gesagt nicht die geringste Ahnung. So bin ich am Ende dieses Praktikums irgendwie schlauer als vorher und irgendwi auch nicht und wieder einmal wird mir bewusst, dass nichts objektiv ist, man immer alles irgendwie rechtfertigen kann und es gar nicht einfach ist, solchen Dingen auf den Grund zu gehen.
Langer Rede kurzer Sinn: heute Abend beende ich mein stationaeres Leben wieder und gehe auf Reisen. Da freue ich mich ehrlich gesagt auch schon drauf, zunaechst geht es in die Cordillera Blanca (Anden) und ich habe gerade schon Coca-Tee getrunken, um mich auf die Hoehenluft vorzubereiten (altes Rezept der Incas und die Hoehenkrankheit ist bei Staedten in fast 4000m Hoehe wohl echt ein Problem...). Auf lange Sicht habe ich natuerlich wieder mal alle meine Plaene geaendert und werde mich auf Peru und Equador beschraenken und auf dem Rueckweg in New York vorbeischauen. Damit ist mein Round-the-world-Ticket endgueltig reif fuer den Schredder, haette ich das gewusst, haette ich im Juni auch von Bangkok nach London fliegen koennen und mir das 1,5 Wochen durch die Gegend fliegen sparen koennen. Na ja, aber wenn etwas meine Reise auszeichnet sind es wohl die etwas seltsamen Routen. Und ich war dann tatsaechlich auf allen Kontinenten (die Antarktis zaehl ich jetzt mal nicht mit). Leider leider leider komme ich allerdings nicht nach Brasilien, d.h. das steht dann wohl ganz oben auf der Liste fuer zukuenftige Urlaub. Allerdings werde ich mir noch Tauchen auf den Galapagos-Inseln goennen, auch wenn das etwas dekadent ist. Soweit also zu den Plaenen. Ihr glaubt gar nicht, wie erleichtert ich bin, mittlerweile die Flugtickets gekauft zu haben… War ein ziemliches Hin und Her, zwischendurch wollte ich auch schon 1,5 Wochen mit dem Bus durch Bolivien nach Brasilien fahren…. Die Details erspar ich euch aber. Kompliziert wie immer und hat mich einige Naechte schlecht schlafen lassen. Ausserdem wollte die lieben Amerikaner meine Kreditkarte nicht akzeptieren und erst nach 3 Telefonaten mit Visa und ungefaehr 5 mit dem Reisebuero hab ich mich im Endeffekt durchgesetzt. Musste allerdings Mordfantasien unterdruecken und bin wirklich froh, dass es Skype gibt, sonst haette mich das ein Vermoegen gekostet.
Tja, was habe ich sonst noch so in den letzten 3 Wochen angestellt? Ich war ein paar Mal mit einer amerikanischen Praktikantin unterwegs, die jetzt aber wieder zu Hause ist. Wir hatten vor allem einen sehr lustigen Abend, wo wir zunaechst mit einer Kollegin auf der Geburtstagsfeier von einer Studienfreundin von ihr waren: in einem der reichsten Viertel von Lima in so einer Villa, wo wir gezwungen waren, Whisky zu trinken und wo es sehr aparte Sandwiches gab und jede Menge Paearchen, wo er haesslich und wohl eher reich war und sie viel juenger, sehr huebsch und repraesentativ. Und es gab einen viel aelteren Kellner, der so unterwuerfig war, dass mir das hoechst unangenehm war. Wir sind dann da auch bald mit einem 19jaehrigen Iren abgehauen und haben ihn in eine Disco begleitet. Da gab es niemanden, der aelter als 20 war, es war echt lustig anzugucken, aber auch da fuehlten Julie und ich uns eher fehl am Platze... Statt dessen haben wir dann woanders zu 80er Musik auf Tischen getanzt. War im Endeffekt sehr lustig.
Sonst war ich aber eher wenig unterwegs, was wohl auch daran lag, dass ich relativ kraenklich war. Erst diese Sache mit dem Durchfall und dann Aerger mit meinem Hals. Meine Mandeln sind immer noch dick, was wohl auch an dem Klima hier liegt und am Smog. Dadurch, dass hier der kalte Humboldt-Strom vorbeifliesst, verdunstet wohl relativ viel Wasser (ist das physikalisch logisch?) und Lima liegt konstant im Nebel, bis jetzt habe ich hier vielleicht 2mal die Sonne gesehen. Die Luftfeuchtigkeit betraegt denn auch irgendwas bei 95%, nicht so toll fuer Erkaeltungen.
Der Verkehr erstaunt mich uebrigens immer wieder. Na gut, erstens faehrt man nach vorne und nicht nach hinten gerichtet (sprich man guckt nicht nach hinten, wenn man Spuren wechselt etc., sondern bremst, wenn der vor einem einen schneidet). Das kennt man z.B. aber auch von den Italienern. Zweitens nutzt man die Hupe intensiv, z.B. um jemandem mitzuteilen, dass man ihn gerade rechts ueberholt. Aber auch einfach wenn sich der Verkehr staut, um aller Welt klar zu machen, dass man es eilig hat. Drittens werden Spuren einfach ignoriert. So ordnet man sich immer an einer Ampel bei der Spur mit der kuerzesten Schlange ein und zieht dann halt als Linksabbieger schonmal an drei anderen Spuren vorbei und schneidet jeden, der geradeaus will. Je dreister desto besser. So geht es dann natuerlich nicht gerade schneller voran, weil man dauernd fuer irgendwelche Idioten bremsen muss. Als Taxi- oder Busfahrer haelt man auch ueberall an (z.B. auch genau hinter einer Ampel), auch wenn man einen Stau verursacht und die 10-20 Autos hinter einem ein melodioeses Hupkonzert veranstalten. Wirklich stressig und ich wuerde nicht sagen, dass ich da besonders zimperlich bin (Kerstin und Maso finden das glaube ich auch, ich erinnere an eine Frankreichrueckfahrt :-)). Die meisten Taxis sind uebrigens so winzige Daewoos. Mir wurde erzaehlt, dass die eigentlich von Daewoo als Autos gebaut wurden, die nur zum auf dem Fabrikgelaende rumfahren gedacht waren. Aber wenn sie sie da dann ausmustern, verkaufen sie sie hierher als Taxis... Da gibt es dann wirklich gar keine Knautschzone.
Sonst ist die Armut hier echt das groesste Problem und das betrifft mich zwischendurch schon ziemlich. 70% hier sind arm, 30% "extremst arm". Noch mehr nerven aber die Reichen oder mittelstaendischen Menschen und ihr Verhalten. Viele von ihnen sind sehr verwoehnt und benehmen sich nach dem Motto: "Hoppla, hier komm ich". Ich war z.B. am Freitag mit Maria Theresa bei einem klassischen Konzert, Mozarts Requiem. Es war in der Kathedrale und sollte um halb acht anfangen. Um 10 vor acht ging es los und um 10 vor neun war es zuende. Selbst um halb neun kamen noch Leute herein und liessen sich von den Mitarbeitern da Stuehle organisieren, was schon wirklich stoert. Aber anstatt besonders leise zu sein oder eine betroffene Miene zu machen, stolzierten die Leute echt durch den Kirchengang und liessen andere Menschen Stuehle tragen. Wirkte komisch. Zusammen mit dem Problem, dass man konstant die Autos draussen hupen gehoert hat, hat das das Konzert ziemlich versaut fand ich. Schade, war immerhin der nationale Chor...
Nein, sowas kann ich nicht ab und zusammen mit dem Verhalten gegenueber Portiers und Dienstmaedchen (es gibt z.B. in vielen Gebaeuden extra-Fahrstuehle fuer die Angestellten, auch die kleinsten Appartements haben eine extra-Kammer mit Bad fuer das Dienstmaedchen und es gibt hier Straende, wo die Angestellten nicht baden und nur mit Uniform rumlaufen duerfen) macht es mir bewusst, dass ich mich doch in einem dritte-Welt-Land befinde, wo bestimmte Grundeinstellungen (z.B. dass Menschen gleich behandelt werden sollten, egal wie ihre soziale Position und ihr Bildungsstand sind) einfach nicht zum Allgemeingut gehoeren.Lima gefaellt mir trotzdem irgendwie noch gut, als Stadt der absoluten Kontraste. So hat man einerseits huebsche Gebauede im Kolonialstil (siehe Fotos) und 100 Meter weiter gibt es aermliche verfallene Hinterhoefe. In der Hauptstrasse gab es ein schoenes altes Gebaeude mit Schuppen oben drauf und ein Hahn stolzierte auf dem Gelaender entlang. Habe versucht, einiges in Fotos einzufangen, aber leider funktioniert das ja nur immer bedingt...
Zu positiveren materialistischen Aspekten: ansonsten habe ich einen Grossteil meiner Zeit in Lima mit Reiseplanung und vor allem mit Shoppen verbracht. Alles so billig und ich lasse mir jetzt sogar Stiefel schneidern. Und ich treibe gerade einen Taettowierer in den Wahnsinn, weil er mir jetzt zum 5. Mal etwas zeichnen muss (ist immer noch nicht perfekt). Die letzten zwei Naechte habe ich uebrigens wieder in einem Dormitory verbracht, weil meine Maria auf Reisen ist und zu nervoes mit dem Gedanken ist, dass ich allein in ihrem Appartement bin. Nun ja, zeugt nicht von allzu viel Vertrauen, aber dagegen konnte ich dann wohl auch nicht so viel machen... Aber naechste Woche ziehe ich dann da fuer die Zwischenzeit zwischen meinen Trips nochmal ein und der Vorteil ist, dass ich meinen gesamten Kram da lassen konnte. Allerdings ist Maria glaube ich auch nicht gewoehnt, jemanden bei sich wohnen zu haben und wurde in letzter Zeit etwas stressig, auch wenn ich versucht habe, mich moeglichst unauffaellig zu benehmen. War auch nicht unbedingt oft da, da war das nicht so schwer. Na ja, auf jeden Fall hab ich die letzten zwei Naechste ausgesprochen schlecht geschlafen und freue mich schon total auf die Nacht im Bus heute :-) Demnaechst dann mehr Andenabenteuer...

Comments:
Der Besuch eines Diaabends ist schlimm - wenn ich dafür zahlen muss, okay... - aber wenn du ihn dann auch noch hälst... - Ich denke, ich werde wohl nicht kommen, sorry, aber ansonsten eine wahnsinnige Idee, bei der du am Ball bleiben solltest... Ein Diaabend mit Mirjam, wofür ich noch Eintritt zahlen muss... Wow!
 
Hey Miri, ich bins Christoph aus Perth! na, erinnerste dich noch? Ist schon lange her! Aber wie ich sehe bist du immer noch am reisen!

Kennst bald jede Ecke dieser welt, hm? Klasse. Bin selbst schon wieder daheim und hatte nach Neuseeland, Australien, new York und London genug! mein Kopf war kurz vorm platzen!

Naja, die Idee mit der Dia Show ist klasse. den Vorkommentar versteh ich nicht wirklich aber egal! Wenn du meinst, dass es deine Freunde interessiert und schätzen, dann mach dir die Mühe und den Aufwand. dann lohnt er sich!

Also, dann viel Spass beim Weiterreisen!

LG Christoph

PS: Sorry, hab den ersten Kommentar versehentlich unter Juni gepostet! ich und Computer...tz tz tz...!
 
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