Samstag, August 05, 2006

 

Erste Eindruecke von Lima

Da ich immer noch zu Hause sitze und mir das Baeuchlein halte, nutze ich mal die Gelegenheit und schreibe noch einen Nachtrag. Also, mein Eindruck von Lima: als ich vom Flughafen kam, viel mir auf, dass die Menschen hier sehr baufreudig sind: aus so braeunlichen Steinen werden die Stockwerke nach und nach aufeinander gesetzt, das unterste ist vielleicht schon verputzt und angemalt, das zweite besteht nur aus den rohen Steinen, das dritte ist erst halbfertig, aber falls es schon gebraucht wird, besteht es halt zur Haelfte aus Wellblechwaenden. Ich habe keine Ahnung, wie arm die Gegend im Vergleich war, aber Lima scheint auf jeden Fall grosse Probleme mit "jungen Staedten" an den Randbezirken zu haben, die keine Kanalisation, Wasserleitungen und Elektrizitaet haben.
Ansonsten war ich allerdings bis jetzt nur in den zwei sehr wohlhabenden Bezirken Miraflores und San Isidro und die sind eher schick, auch wenn hier ebenfalls an allen Ecken und Enden gebaut wird. Nette Einkaufspassagen, wieder sehr gut fuer Handtaschen und Schuhe, sehr gefaehrlich fuer meinereiner... Besonders die schon erwaehnten Parks auf den Klippen fand ich eindrucksvoll. Es ist allgemein sauber und es stehen Security Menschen an jeder Ecke. Da gibt es die von der Stadt, aber auch jedes Gebaeude hat Security oder einen Portier. Daran merkt man die Armut hier, das durchschnittliche Jahresgehalt eines peruanischen Stadtbewohners liegt bei 3000US$. Andere Anzeichen sind die vielen Strassenverkaeufer oder Kinder, die Kunststueckchen an Ampeln auffuehren... Und Arbeitskraefte sind guenstig. So gibt es an vielen Kreuzungen statt Ampeln oder vernuenftigen Kreiseln Verkehrspolizisten, die in kleinen runden gelben Kabinen auf der Mitte der Kreuzung sitzen, Einpacker und Einkaufswagen-zum-Auto-Fahrer im Supermarkt und selbst Hausfrauen haben eine Haushaltshilfe (Maid). Dabei ist mir auch eine Einstellung aufgefallen, die mir eher altmodisch vorkommt, ein ziemlich grosses "Klassenbewusstsein". Das gleiche gilt auch fuer "Geschlechterbewusstsein". Die Haushaltshilfen werden wirklich eher wie Dienstmaedchen behandelt, der Portier wird aufgefordert, die Einkaeufe nach oben zu tragen und der Supermarktmensch soll die Einkaeufe ins Auto raeumen. Die Damen scheinen hier vor allem relativ verwoehnt zu sein (jedenfalls Maria Teresa). Beim Einkaufen hatten wir es eilig und fuer mich war das gar nicht, weil ich selber die Einkaeufe definitiv schneller ins Auto gekriegt haette als der arme vollbepackte Mensch... Mir ist sowas unangenehm. Und fuer 5 Tueten hole ich mir doch auch nicht den Portier aus dem Haus raus.. Ausserdem bin ich dafuer glaube ich echt zu emanzipiert.
Das Ganze hat natuerlich auch eine andere Seite: "Machismo". Ich kann mich bis jetzt nicht wirklich beschweren, Maenner haben einen etwas zu ausgepraegten Beschuetzerinstinkt fuer meinen Geschmack (jaaa, ich weiss doch, dass ich vorsichtig sein muss...) und Frauen werden halt anders angeguckt. Oder sagen wir lieber angestarrt, auch Kommentare und direktes Anbaggern sind wohl normal. Und ich habe wohl das Glueck (oder Pech?), dass ich auch als Peruanerin durchgehen kann. Jaa, wenn ich dann erstmal perfekt Spanisch spreche... Aber es nervt natuerlich schon, dass die dritte Frage eines jeden Taxifahrers ist, ob ich Single bin. Mittlerweile bin ich halt verheiratet, lasse meinen Ring aus Sicherheitsgruenden aber zu Hause :-).
ABER: man muss sagen, dass die Menschen ausserordentlich freundlich sind, sehr hilfsbereit und gastfreundlich. Ich werde wohl die naechsten Wochen damit verbringen, die gesamten Familien von Maria Teresa und Maria Eugenia kennenzulernen (vor allem natuerlich die Menschen in meinem Alter) und fuehle mich jetzt schon total integriert. Aber auch die Taxifahrer, die Menschen in den Geschaeften und die Leute, die ich aus diversen Gruenden so auf der Strasse anquatsche waren immer hoeflich, interessiert und absolut freundlich.
Zu meiner Arbeit, dazu muss ich etwas ausholen: Peru ist der drittgroesste Produzent im Anbau von Kokablaettern, war allerdings auch schon der groesste, bevor Kolumbien diesen Wirtschaftszweig entdeckt hat. Seit 20 Jahren hat die UNO hier Programme, den Kokaanbau einzudaemmen und die Menschen zu dem Anbau von Alternativen zu bewegen. Und anscheinend sind sie relativ erfolgreich, mittlerweile wurde ca. 7000 Familien, also ca. 35000 Menschen geholfen. Das Prinzip ist, die Bauern in Firmen zu organisieren, ihnen dabei technische wie auch organisatorische Hilfe zu gewaehren (vor allem Zugang zu Krediten, alternativen Maerkten etc.), bis die Firmen so erfolgreich sind, dass sie sich ihre eigenen BWLer einstellen. Klingt doch eigentlich ziemlich gut fuer Bauern, die teilweise noch nicht einmal asphaltierte Zugangsstrassen haben. Allerdings sind die Ansaetze in vielen Aspekten pragmatisch, was nicht allen Geldgebern gefaellt: z.B. wird von den Bauern nicht verlangt, den Kokaanbau sofort komplett aufzugeben, sondern zunaechst nur zu reduzieren, um Einnahmeausfaelle zu vermeiden. Und ausserdem gibt es Dispute darueber, inwieweit so die Traditionen der Indios bewahrt werden. Moderne kapitalistische Firmen, dazu kommen aber auch Programme der Frauenbildung etc. und man versucht, die Einstellung der Menschen langfristig zu veraendern. Mir gefaellt das allerdings ausgesprochen gut, mehr "down-to-earth" statt idealistische ehrgeizige Programme, bei denen am Ende nix rauskommt. Goyo, mein "Betreuer", hat dabei zwei Funktionen: einerseits schreibt er Berichte ueber die laufenden Programme, guckt sich dabei die Bilanzen der Firmen an, bekommt Zahlen von den Verantwortlichen und evaluiert das Ganze (und produziert dabei jede Menge komplizierte Tabellen). Ausserdem entwickelt er auch neue Programme und hilft bei der Suche nach Mitteln. Dabei wird genau untersucht, wie die Bevoelkerungsstruktur, die Struktur der arbeitenden Bevoelkerung, der Kokaanbau und jede Menge andere Bedingungen aussehen. Oft werden dabei nicht die Aermsten der Armen erwischt, sondern die eher progressiven Bauern, die fuer die Programme geeigneter sind, denn sonst sind die Chancen zu gering. Das Projekt, bei dem ich jetzt "mithelfe", ist fuer das Tal von San Gaban, im Sueden Perus, designed. Es geht darum, verschiedene Anbaumoeglichkeiten durchzuspielen und ich schreibe dafuer die Cash-Flow Tabellen. Diese Woche ging es um Kakao und Honig. Hoert sich schwieriger an, als es ist, in der Praxis wurden mir ca. 10 Excel-Tabellen gegeben und ich musste einfach Ausgaben und Einnahmen raussuchen und zusammenfassen. Also eher stupide. Und im Endeffekt haette das, was jetzt 3 Tage gedauert ist (mit Infos sammeln und verstehen, was er eigentlich von mir wollte), auch in 2 Stunden fertig sein koennen. Effektiv ist also was anderes... Na ja, es gibt ja noch seeehr viele Kombinationsmoeglichkeiten, mit denen ich beschaeftigt werden kann, und ich hoffe, das geht dann schneller :-). Soweit, so gut. Wie gesagt hoffe ich, dass sich das noch verbessert. Allerdings lerne ich wirklich sehr viel Spanisch zur Zeit und ausserdem ist ein Praktikum bei der UNO auch nicht das Schlechteste im Lebenslauf... Wir werden sehen.

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