Samstag, Februar 18, 2006

 

Kapstadt total

Kapstadt ist einfach wunderschoen! Wie das halt bei Staedten so ist, die an der Kueste liegen und wo man in 5 Minuten am Strand ist… Aber bis jetzt definitiv auch die Stadt mit den meisten Gegensaetzen, die ich bis jetzt erlebt habe. Wo soll ich anfangen?
Also, mir geht es gut. Ich wurde noch nicht ausgeraubt, mein Gepaeck hat British Airways auch wiedergefunden, ich habe einen krassen Sonnenbrand (vor allem auf dem Kopf wo der Scheitel ist, das tut weh…) und ich bin einfach immer muede, weil ich von meinem 10-Stunden-Schlaf-und-sonst-nur-vorm-Fernseher-liegen-Tagesrhythmus irgendwie noch nicht so ganz aklimatisiert bin. Aber es wird besser und bald bin ich wieder topfit.
Bis jetzt ist natuerlich auch schon so einiges passiert, ich habe schon viele Leute getroffen und vor allem uebermannen mich die tausend Eindruecke ziemlich muss ich sagen. Am ersten Tag bin ich eigentlich nur rumgelaufen wie Falschgeld, weil ich nur muede vom Flug war. Aber alleine bisschen an der Strandpromenade rumlaufen war einfach traumhaft, weil man sich einfach doch erstmal wieder an Sommer gewoehnen muss... Abends habe ich dann ein Maedel aus Holland kennengelernt, mit der ich dann eigentlich in den letzten 3 Tagen jeden Abend was gemacht habe. Im wesentlichen vor allem Essen gehen etc., weil man hier schliesslich in der Dunkelheit nicht mehr rumlaufen darf und weil man nach Extrem-Sightseeing abends auch halbtot ist… Sie ist eine echte Backpackerin, die nur Safari-Klamotten traegt, genau 2 Paar Schuhe besitzt und hier hauptsaechlich als Freiwillige arbeitet. Erst irgendwo bei Johannesburg in einem Nationalpark (vor allem mit Loewen und Schimpansen) und jetzt macht sie irgendwas mit Delphin-Registrierung. Sie ist schon seit einigen Jahren mit dem Studium fertig, hat dann ein Jahr gearbeitet, danach war sie ein knappes Jahr in Indien und China, ist dann aber wegen SARS nach Hause gefahren (weil sie in China nicht reisen durfte), wieder ein Jahr Arbeit und jetzt hat es sie halt hierher gezogen. Immer wieder nett zu merken, dass ich nicht die Einzige rastlose bin und in meinen Plaenen doch total harmlos. Wir haben also einige Abende verbracht und ueber das Leben und vor allem das Erwachsenwerden philosophiert.
Am zweiten Tag bin ich erstmal mit so nem Touristenbus einmal durch Kapstadt gefahren und hab mich sozusagen orientiert. Dabei habe ich mir einen krassen Sonnenbrand geholt, weil ich im Doppeldecker-Bus rumsitzen etwas unterschaetzt habe. Ich war auf dem Tafelberg, absolut fantastische Blicke, die natuerlich auf den Fotos ueberhaupt nicht richtig zur Geltung kommen und danach dann am Strand. Das Wasser ist nur so 10 Grad warm, also nix zum Schwimmen, aber der Strand war Klasse. Und daneben lauter Cocktail-Bars… Die Haeuser an den Klippen sind vor allem krass. Direkt darein gebaut mit dem Parkplatz auf dem Dach, auf dem Balkon nen Pool und unten vor der Haustuer genau den Strand… Nette Investment-Objekte und im Moment doch noch relativ guenstig zu haben…
Das ist also die eine Seite von Kapstadt. Solche Haeuser (eigentlich sogar fast alle Haeuser) haben ein Schild an der Haustuer, welches besagt, welche Firma fuer die Security zustaendig ist, haben riesige Gitter vor dem Eingang und teilweise auch Portiers (die natuerlich schwarz sind). Daran sieht man, dass die Kriminalitaet doch sehr hoch ist. Uebrigens sind nur 7% der Suedafrikaner weiss. Man merkt schon sehr deutlich, dass die Hautfarbengrenzen sehr wohl noch existieren. So beschwerte sich der (weisse) Fahrer meines Flughafenshuttles darueber, dass es mittlerweile “Schwarzenquoten” in den Firmen gibt, aber die Angestellten gar nicht qualifiziert waeren, andererseits ist es sehr offensichtlich, dass viele Jobs nur von Schwarzen gemacht werden. Z.B. Strassenbauarbeiten bei laeppischen 35 Grad, Kassiererinnen sind fast immer schwarz etc.. Weisse scheinen also sehr wohl noch eher “hoehere” Jobs zu haben, was ja nach 11 Jahren ohne Apartheit und der dementsprechenden mangelnden Bildung auch nicht weiter verwunderlich ist.
Anderes Beispiel fuer Farbgrenzen sind das Hauptverkehrsmittel hier, die so genannten Minibusse. Das sind VW-Busse, in die zur Not schon mal so 15-20 Personen reinpassen und die man halt so an der Strasse stoppt. Wenn sie noch Platz haben hupen sie und irgendwer bruellt was Unverstaendliches aus dem Fenster. Erst dachte ich, ich werde irgendwie bloed angemacht, aber mittlerweile habe ich das Prinzip dann auch gepeilt. Das Geld (so ca. 50 Cent fuer 2 km) wird waehrend der Fahrt eingesammelt und man bruellt halt wenn man raus will. Und wird dann aus dem mehr oder minder fahrenden Auto gekickt. Bis jetzt habe ich mich 3mal getraut, damit zu fahren (es hat wie gesagt etwas gedauert, bis ich das Prinzip geschnallt habe) und heute waren zum ersten Mal andere Weisse dabei (Touristen, die gesehen haben, dass der Bus irgendwie nicht fuhr und ich da eingestiegen bin). Man hat schon etwas Bammel, schliesslich koennte man ja auch jeder Zeit ausgeraubt werden. Aber in Wahrheit ist das natuerlich absoluter Schwachsinn. Europaeer haben nur ein anderes Verhaeltnis zu der Distanz, die sie zu anderen Menschen halten moechten…
Gestern war ich auf einer sogenannten “Township Tour”, sprich mir die Slums von Kapstadt angucken. Nach dem Eindruck der Luxusappartments wirklich was ganz anderes. Wellblechhuetten soweit das Auge reicht, angezapfte Stromleitungen, kein fliessendes Wasser. Das ist das einzige Foto, das ich gemacht habe, ist dummerweise nicht so toll geworden, aber ich fand es zu degradierend, Armut zu fotografieren. Ich habe lange ueberlegt, ob ich so eine Tour ueberhaupt mitmachen soll, aber schliesslich hat die Neugier gesiegt. Die Projekte, bei denen wir waren, schienen auch kein Problem mit Touristen zu haben, schliesslich hatten wir alle ein sehr schlechten Gewissen und haben viel Geld da gelassen, die Menschen auf der Strasse haben allerdings eher selten gelacht. Mir war das Ganze zu arrangiert. Wir waren z.B. bei einer Schule, die die Kinder auf die staatliche Schule vorbereitet, ihnen also z.B. Verkehrsregeln und vor allem Englisch beibringt. Bei den "Babies" konnten ca. 30 an kleinen Plastiktischen sitzen (wobei sie nicht wirklich Platz zum Malen hatten), der Rest (ca. 50) sass auf dem Boden, so dass wir Touristen noch genau an der Wand lang stehen konnten, dann war die Wellblechhuette absolut voll. Der eine filmende Niederlaender wollte den Kleinen die Bilder von ihnen zeigen, da waren sie so neugierig, dass sie sich im wahrsten Sinne des Wortes gestapelt haben. Und alle wollten die komischen Weissen gerne anfassen... Generell ueberhaupt sehr freundlich und froehlich und bei den Bildern wundert man sich echt, warum es hier nicht zum Buergerkrieg kommt. Mittlerweile bin ich dann doch ueberzeugt davon, dass die meisten Bewohner der Townships diese "Zoobesuche" doch nicht wirklich billigen, doch der Nutzen einfach groesser als der Schaden ist. Ich habe mich mit einem Maedel im Bus unterhalten, die mir erklaert hat, dass es auch schon viele Stellen gibt, die besser aussehen und dass die Touren auch viele Klischees bestaerken.
Man merkt wohl, ich bin im Moment eher nachtraeglich gestimmt. Heute beim Mittagessen habe ich mich zu einer Englaenderin gesellt, die hier auf einer Konferenz war (und normalerweise fuer PriceWaterhouseCoopers Manager Stress-Seminare haelt, z.B. in Transsylvanien) und sie damit vollgelabert. Danach bin ich in ein riesiges Open-Air Gospelkonzert geraten, wo ich bei ca. 3000 Leuten weit und breit keine anderen Weissen gesehen habe. Aber dauernd stuermen Kinder auf einen zu, die Leute laecheln einen immer etwas verdutzt an und teilweise winken sie. Da war ich wohl das Tier im Zoo, aber hatte keine Angst davor, ausgeraubt zu werden, dazu war die Stimmung viel zu gut...
So, habe soviel geschrieben, dass kein Mensch es lesen moechte. Geniesst den Regen und bis bald!

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